Raumfahrt und Physiotherapie

Veröffentlicht von Rosi Würtz am

Es ist ein winterlich kalter Samstagmorgen im Februar 2020. Auf dem Gelände des Europäischen Astronauten Centers in Köln sind die ersten Medienleute bereits eingetroffen und warten auf die Pressekonferenz mit ESA-Astronaut Luca Parmitano. Der Italiener ist rund 48 Stunden zuvor mit einer Sojus-Kapsel zurück auf die Erde gekehrt. Zuvor hat Parmitano 201 Tage auf der Internationalen Raumstation ISS wissenschaftliche Experimente durchgeführt.

Medical Check als Vorsichtsmaßnahme

Direkt hinter dem Eingangsbereich muss sich jeder Teilnehmer einem kurzen medizinischen Test unterziehen. Als Vorsichtsmaßnahme gegenüber dem Astronauten, der möglichst von pathogenen Krankheitserregern ferngehalten werden muss. Schließlich soll seine körperliche Verfassung Aufschluss darüber geben, wie sich Menschen nach einem Aufenthalt in der Schwerelosigkeit wieder an die Schwerkraft auf der Erde anpassen. Nach einem medizischen Fragebogen und seiner Temeperaturmessung an der Stirn erhalten gesunde Medienmenschen die Erlaubnis, den Hauptbereich der Pressekonferenz zu betreten.

Leben in der Schwerelosigkeit

Der Einfluss von Mikrogravitation auf die neuromuskuläre Leistungsfähigkeit des menschlichen Körpers ist auch für die Physiotherapie ein spannendes Forschungsfeld. Wie reagieren menschliche Körper auf einen längeren Aufenthalt in nahezu vollständiger Schwerelosigkeit? Durch fehlende Gewichtskraft erfährt vor allem der Bewegungsapparat weniger Belastung. Sieht man sich die ersten Aufnahmen unmittelbar nach der Öffnung der Soyus-Kapsel und der Extraktion der Astronauten an, so fällt die ausgesprochen gute Verfassung der Raumfahrer und Raumfahrerinnen auf.

ESA-Astronaut Luca Parmitano während der Pressekonferenz a, 08.02.2020 in Köln, Foto: Regina Schäfers

Use it or loose it!

Das tägliche Körpertraining auf der ISS ist die Basis für eine möglichst beschwerdefreie Rückkehr auf den Heimatplaneten Erde. Vor allem die Streckmuskulatur würde ohne körperliche Belastung schnell degenerieren. Was für die meisten Menschen auf der Erde selbstverständlich ist, wird in der Schwerelosigkeit zur Ausnahme. Nur mit speziellen Vorrichtungen kann ein Strecktraining zur Kräftigung der Muskulatur auf der ISS absolviert werden. Das Video „Staying fit in space“ (Link folgt) beschreibt die Trainingsprozedur vor, während und nach dem Aufenthalt im Weltraum.

Medizinische Experimente für mehr Gesundheit auf der Erde

Neben der Erforschung, wie Männer und Frauen physiologisch auf Mikrogravitation reagieren, führt die ISS-Crew auch medizinische Experimente durch. Beispielsweise werden neue Behandlungsmöglichkeiten der Osteoporose untersucht, aber auch die Alzheimer-Erkankung wird in Augenschein genommen. Gewisse Experimente lassen sich in Schwerelosigkeit besser durchführen als unter Schwerkraft. So erhält dich Raumfahrt einen sehr praktischen Anwendungszweck, der den hohen Aufwand rechtfertigt.

Raumfahrt der Zukunft

In naher Zukunft wird sich zeigen, ob die Raumfahrt massentauglich werden wird. Spätestens dann stellt sich die Frage, wie Menschen sich auf ihren Besuch im All physisch und psychisch vorbereiten sollten, um ihren „Space Trip“ möglichst ohne Schäden bewerkstelligen zu können. Abgesehen davon, wie sinnvoll solche Pauschalreisen ins All für jeden Zahlungskräftigen sind, so bleibt die Erforschung des menschlichen Körpers in Schwerelosigkeit für ein gesünderes Leben auf der Erde allemal wichtig und zukunftsweisend.

Nähere Einblicke in das physiotherapeutische Astronauten-Training gibt Physiotherapeutin Gunda Lambrecht im BackStagePHYSIO-Interview.


Rosi Würtz

Soziologin mit den Schwerpunkten Digitalisierung und Gesundheit, derzeit Promotion (Uni Bonn) über betriebliche Gesundheitskommunikation von Krankenhäusern in sozialen Medien, staatlich anerkannte Physiotherapeutin mit einem Faible für Paläontologie und Raumfahrt

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