Interview zum Welt-Hörtag 2019

Veröffentlicht von Rosi Würtz am

Thomas Sünder und Dr. Andreas Borta haben zusammen ein Buch über das menschliche Hören geschrieben. In Ganz Ohr: Alles über unser Gehör und wie es uns geistig fit hält erzählen sie von der faszinierenden Welt der Schallwellen und ihrer Wahrnehmung. Passend zum Welt-Hörtag am 3. März 2019 berichten die beiden Autoren hier im BackStagePHYSIO-Interview, was Hören mit Bewegung und Gesundheit zu tun hat.

Eine Hand voll Fragen an Thomas Sünder und Dr. Andreas Borta

Frage 1: Welche Rolle spielt das Thema „Bewegung“ in Ihrem Leben?

Dr. Andreas Borta: Bewegung und Sport sind sehr wichtig, gerade wenn man einen Bürojob hat. Ich fahre jeden Tag mit dem Fahrrad zur Arbeit, bei Wind und Wetter. Das sind täglich über 20 Kilometer. An den Wochenenden arbeite ich viel im Garten. Und mit vier Kindern hat man ohnehin jede Menge Bewegung.

Thomas Sünder: Ich lege sehr viel Wert auf Bewegung. Allein mit unserem Hund gehe ich jeden Tag zwischen 7 und 10 Kilometern an der frischen Luft. Die meisten Strecken hier in Hamburg lege ich mit meinem E-Bike zurück. Regelmäßig mache ich Krafttraining im Fitnessstudio und zweimal pro Woche spiele ich Snooker. Diese englische Billardvariante ist exzellentes Training für das Gleichgewicht und die Körper-Augen-Koordination, wichtige Schlüssel zur Beherrschung meiner Schwindelerkrankung. Buchtrailer (YouTube)

Frage 2: Sie haben gemeinsam das Buch „Ganz Ohr: Alles über unser Gehör und wie es uns geistig fit hält“ geschrieben. Was möchten Sie mit dieser Veröffentlichung erreichen?

Thomas Sünder: Vor allem wollen wir die Öffentlichkeit darüber informieren, wie wichtig unsere Ohren sind. Die meisten Menschen nehmen das Hören ganz selbstverständlich hin und wissen gar nicht, wie unglaublich das ist, was da in ihren Köpfen passiert. Außerdem wollen wir über die Risiken im Alltag aufklären. Denn Schwerhörigkeit ist eine regelrechte Volkskrankheit! Hierzulande sind über 13 Millionen Menschen betroffen, doch nur 3,5 Millionen unternehmen etwas dagegen, indem sie Hörgeräte tragen.

Dr. Andreas Borta: Die rund 10 Millionen unter den Betroffenen, die keine Hörgeräte tragen, wissen nicht, was sie ihren Gehirnen damit antun. Die geistige Fitness lässt nach und das Demenzrisiko steigt um bis zu 400 Prozent! Tatsächlich gibt es keinen anderen Faktor der Lebensführung, der mehr Einfluss auf das Demenzrisiko hat, als das Hören. In der Wissenschaft wird das seit einigen Jahren anerkannt, doch die wenigsten Menschen ist das bewusst. Das wollen wir ändern.

Frage 3: Was haben Bewegung und Gesundheit mit Hören zu tun?

Dr. Andreas Borta: Bisher gibt es leider keine eindeutigen wissenschaftlichen Belege dafür, dass Bewegung oder Sport zu einer Verbesserung der Hörfunktion führen. Allerdings gibt es zahlreiche Studien, die den Einfluss von Bewegung auf die allgemeine Gesundheit zeigen. Viel mehr noch, Bewegung ist ein entscheidender Bestandteil, um bis ins hohe Alter auch geistig fit zu bleiben. Man weiß, dass bereits tägliche, moderate Bewegung, wie beispielsweise Spazierengehen, Alterungsprozesse in unserem Gehirn aufhalten kann. Von daher ist der Rückschluss sicherlich zulässig, dass Bewegung auch für unser Gehör gut ist und auch hier Alterungsprozesse verlangsamen kann.

Thomas Sünder: Bewegung ist darüber hinaus ganz wichtig für unseren Gleichgewichtssinn. Wir hören ja nicht nur mit den Ohren, sondern dort liegen auch unsere Gleichgewichtsorgane. Wer sich zu wenig bewegt, riskiert im Alter schneller gebrechlich zu werden und häufiger zu stürzen. Gerade wer, wie ich, eine Schwindelerkrankung oder Gleichgewichtsstörungen hat, sollte nicht den Fehler machen, sich aus Angst vor Schwindel zu wenig zu bewegen. Mein straffes Bewegungsprogramm hilft mir, festen Boden unter den Füßen zu behalten.

Frage 4: Wie lässt sich das Gehör pflegen?

Dr. Andreas Borta: Einer der wichtigsten Faktoren ist Lärmvermeidung. Den Ohren Ruhe gönnen und ihnen die Möglichkeit geben sich zu erholen, ist sehr wichtig. Hörtest weltweit haben gezeigt, dass die Ohren von Menschen in lauten Städten vorzeitig altern. Gerade Jugendliche können ihr Gehör pflegen, indem sie darauf achten, wie laut die Musik ist, die aus ihren Kopfhörern kommt. Auch auf lauten Konzerten und in Clubs sollten unbedingt Ohrenstöpsel zum Lärmschutz getragen werden. Darüber hinaus ist natürlich ein gesunder Lebensstil immer hilfreich. Wer sich zum Beispiel nach der sogenannten Mediterranen Diät ernährt, also reichlich Gemüse, Obst, Schalenfrüchte und auch Fisch isst, hat ein um bis zu 30 Prozent niedrigeres Risiko, schwerhörig zu werden.

Thomas Sünder: Von Lärm kann ich ein Lied singen, denn ich habe mein Gehör als DJ und Musikproduzent ruiniert. Aber auch, wer wenig mit Musik zu tun hat, sollte auf Alltagslärm achten. Denn wir leben in einer lauteren Welt, als je zuvor in der Menschheitsgeschichte. Gleichzeitig werden wir älter, als je zuvor. Lag die Lebenserwartung im Jahr 1800 weltweit noch zwischen 30 und 40 Jahren, werden Männer heute durchschnittlich 78 und Frauen 83. Unsere Ohren sind evolutionär nicht darauf ausgerichtet, unter diesen Bedingungen so lange durchzuhalten. Daher sollten wir besonders schonend mit ihnen umgehen.

Frage 5: Wie halten Sie sich fit und gesund?

Thomas Sünder: Ich ernähre mich überwiegend vegan und meide Gluten und Laktose. Außerdem verzichte ich auf das Frühstück, im Sinne des Intervallfastens. Das heißt, ich gebe meinem Körper über Nacht und über die erste Tageshälfte Zeit, alle Nährstoffe zu verwerten und Schadstoffe abzuführen. Innerhalb von 8 Stunden pro Tag esse ich mich satt, die restlichen 16 Stunden lasse ich den natürlichen Prozessen in meinem Körper freie Bahn, ohne sie durch permanentes Verdauen zu bremsen.

Dr. Andreas Borta: Ich denke eine bewusste Lebensführung ist ganz wichtig. Dazu zählen neben Bewegung und Ernährung auch Stressreduktion. Ich versuche, das Leben mit Humor zu nehmen. Auch wenn man Stress im Alltag nicht immer aus dem Weg gehen kann, so kann man doch versuchen, ihn ein wenig leichter zu nehmen.

Thomas Sünder: Richtig. Stress ist wirklich übel und kann zum Beispiel Hörstürze und Tinnitus verursachen. Ich bin sicher, dass Stress einen großen Teil dazu beigetragen hat, dass mein linkes Ohr gestreikt hat. Das passiert mir nicht noch mal. Wenn mir jetzt etwas zu viel wird, dann lege ich eine Pause ein und warte nicht erst, bis es zu spät ist.

Herzlichen Dank für dieses Interview!


Rosi Würtz

Soziologin mit den Schwerpunkten Digitalisierung und Gesundheit, derzeit Promotion (Uni Bonn) über betriebliche Gesundheitskommunikation von Krankenhäusern in sozialen Medien, staatlich anerkannte Physiotherapeutin mit einem Faible für Paläontologie und Raumfahrt

5 Kommentare

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