Digitale Schreibwerkstatt 2021: Fossile Wirbellose

Veröffentlicht von Rosi Würtz am

Im Juni 2021 stand meine zweite Teilnahme an der Digitalen Schreibwerkstatt im Naturkundemuseum Berlin auf dem Plan und das mit einem so genialen Thema wie diesem: Fossile Wirbellose! Mein Herz fängt etwas schneller an zu schlagen, wenn ich daran denke: Paläontologie trifft Schreibkunst in einem Ambiente, das es naturkundlich faustdick hinter den Ohren hat. Ok ja, leider nicht vor Ort im Museum, aber dennoch live und in Farbe. Während der ersten Session ging es für uns Schreibwilligen hinter die Kulissen auf Tauchgang in die Tiefen der Sammlung.

Trilobiten und Sammlungseinblicke

Andreas Abele ist seines Zeichens der Collection Manager der Sammlung Fossile Invertebraten. Via Zoom traf unsere Schreibgruppe auf einen unheimlich engagierten und sympathischen Wissenschaftler. Sein Faible für Trilobiten konnte er nicht lange vor uns verbergen und zeigte uns auch einige Exemplare.

Ich persönlich habe das Museum für Naturkunde Berlin noch nicht live vor Ort gesehen. Umso spannender ist es, dieses wundervolle Museum aus den Augen anderer Menschen beschrieben zu bekommen. Der Paläontologe Andreas Abele schaffte es, mich noch mehr für die Sammlung der fossilen Wirbellosen zu begeistern.

Das Schöne an der Digitalen Schreibwerkstatt ist, dass sich die präsentierenden Wissenschaftler*innen mutig und selbstverständlich kompetent dem Fragengewitter der Schreibzunft stellen. Und so wurde ich fast alle meine Wissenslücken los und fragte unserem Gastgeber Löcher in den Bauch.

Direkt im Anschluss an die rund 60 minütige Präsentation folgten dann erste Schreibübungen. Unsere Schreibtrainerin Uta von Arnim schaffte es , mich auch im Verlauf der folgenden Schreibsession stets mit neuen Schreibaufgaben und Herausforderungen zu locken und den Stift zu schwingen. Eine kleine Geschmacksprobe von den Textergebnissen gibt es nun.

Eine erste Schreibübungen mit besonderen Wörtern aus der Präsentation

Der besondere Klang gewisser Wörter und Formulierungen sind mir im Gedächtnis geblieben. Die Sprache der Paläontologie lässt Wortkünstlerinnen wie mich aufhören. Sie hat einen Hauch von steinerner Exotik mit sehr alltagsnahen Zutaten. Bevor es nun zu abgehoben wird, hier nun meine Liste der besonderen Wörter:

  • Steinkern
  • Fossilien-Bedampfung
  • Tafelsilber des Museums
  • Hexengeld
  • Inventarbuch
  • Kulturschutzgesetz
  • Facettenaugen
  • Perm-Trias-Aussterbeereignis
  • Devonsaal
  • Seeigel und Seelilien
  • Fraßspuren

Im Lauf der Digitalen Schreibwerkstatt wurde aus dieser Wörterliste eine kurze, spontan geschriebene Geschichte. Ziel der Schreibübung ist es, die Wörter in eine zusammenhängende Storyline einzubinden.

Das Tafelsilber des Museums liegt vor mir weit ausgebreitet auf Holztischen. Die Steinkern-Fossilien sind heute an der Reihe und bekommen eine nette goldene Bedampfung verpasst, damit die Wissenschaftler*innen sie besser untersuchen können. Das dazugehörige Inventarbuch wurde selbstverständlich ebenso sorgfältig aufgehoben. Der Sammlungsdigitalisierung und dem Kulturschutzgesetz sei Dank, dass wir die Seeigel und Seelilien für die Ewigkeit festhalten können. Schade, an diesem Stück hat sich wohl vor 300 Millionen ein Räuber den Magen voll geschlagen. Die Fraßspuren sind immer noch deutlich zu erkennen. Vom Nachbartisch blinzeln mich ein paar Facettenaugen eines jungen Trilobiten an. Hallo, Kleiner! Du wirst als nächstes vergoldet. Das Perm-Trias-Aussterbeereignis hat uns zum Glück genug Arbeit für unser Museum beschert.

Weitere paläontologisch angehauchte Geschichten

Auch die gleich folgende kurze Geschichte Der Boden unter unseren Füßen entstand während der Juni-Ausgabe der Digitalen Schreibwerkstatt. An dieser Stelle möchte ich mich herzlich bei unserer Schreibtrainerin Uta von Arnim bedanken, die mir hilfreiche Schreibtechniken zeigte, um meine Texte zu schleifen und zu verbessern. Es hat mir viel Spaß gemacht, mich mit Themen und Formen auseinander zu setzen, mit denen ich sonst nicht in Kontakt komme. Es sind noch weitere Texte während der insgesamt vier Sessions entstanden, die ich jedoch aus Platzgründen hier nicht alle veröffentliche.

Der Boden unter unseren Füßen

Ich habe vor kurzem ein Brieffragment oder so etwas ähnliches in einem verstaubten Archiv gefunden und ich hoffe, dass ihr mir helfen könnt, es zu entziffern. Auf dem zerknüllten Papier steht Folgendes geschrieben:

Möchtest du eine Geschichte hören? Eine Geschichte über uns? Eine Geschichte, die unsere Zukunft beeinflussen wird und die uralte Wurzeln in eine vergangene Zeit spannt? Du möchtest also diese Geschichte hören, wenn ich das richtig sehe. Aufwachen aus dieser Traumerzählung nützt uns eh nichts mehr. Alles ist real und hier und jetzt! Und wie jede ordentliche Geschichte beginnt auch diese mit einem fast schon absurden “Es war einmal vor langer Zeit…”. Absurd deshalb, weil das, was ich dir jetzt erzähle, eigentlich uralt ist und doch immer noch so nah und so wichtig für uns alle. Also, ich beginne noch einmal:

Es war einmal vor langer Zeit ein Leben auf diesem Planeten namens Erde. Erinnerst du dich noch? Wie du aufgeregt und voller Freude hinter das Haus gerannt bist, zu DEINEM prähistorischen Riff, wie du immer stolz gesagt hast. Deinen Meißel und die Kratzbürste, den feinen Pinsel und die Setzkästen für den Transport in dein Kinderzimmer hattest du schon gestern Abend längst parat gestellt. Deine Träume drehten sich damals wie heute um Trilobiten, jene dreifach verrückten Wesen, die einst in längst vertrockneten Meeren lebten. Diese geheimnisvolle Tiere streckten dir mal ihren Panzer und mal ihre Facettenaugen entgegen und sagten “Hallo”, damit du sie ausgraben und zu neuem Leben erwecken konntest. Seit jenen Tagen in deinem Riff erzählst du ihre Geschichte. Ohne dich würden sie wahrscheinlich einfach nur Steine in einem unscheinbaren Berg bleiben und irgendwann wieder hinabtauchen zum Erdkern, tief in mein Herz.

Ein Kinderspiel, das im Lauf deines Lebens ernst wurde. Aus deiner Liebe zum toten Leben wurde dein Beruf. Und glücklicherweise ist der Tod des Vergangenen immer und immer wieder auch ein Startschuss für das Leben und für neue Geschichten.

Ich möchte dich ermutigen, diese, unsere, meine Geschichten zu sammeln und zu erzählen. Denn ich kann einfach nur da sein, eingehüllt in einen bläulich schimmernden, hauchdünnen Schutzmantel und mit einer irren Geschwindigkeit durch das scheinbar ewig Schwarze reisen. Du aber: Du kannst Geschichten erzählen, sie anderen zeigen und Steinen Leben einhauchen. Ich bin immer schon dabei gewesen und erinnere mich jeden Tag auf’s Neue an das Lächeln, das du mir schon als Kind geschenkt hast und laut gerufen hast: “Ich habe wieder ein Fossil gefunden!” Bewahre dir deine Leidenschaft für das Vergangene, weil sie unsere Zukunft gestaltet.

Alles Gute, Dein Heimatplanet Erde

Bericht über die Digitale Schreibwerkstatt zum Thema „Invertebraten und Paläobotanik“

Rosi Würtz

Soziologin mit den Schwerpunkten Digitalisierung und Gesundheit, derzeit Promotion (Uni Bonn) über betriebliche Gesundheitskommunikation von Krankenhäusern in sozialen Medien, staatlich anerkannte Physiotherapeutin mit einem Faible für Paläontologie und Raumfahrt

2 Kommentare

Würtz Media - Verlag Kathrin Rosi Würtz · Juli 11, 2021 um 9:27 am

[…] Digitale Schreibwerkstatt Juni 2021: Fossile Wirbellose […]

Mein Verlagsjahr: Edition 2021 - WÜRTZ MEDIA - Verlag Kathrin Rosi Würtz · Oktober 24, 2023 um 11:17 am

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