Interview: Klimawandel Learning For Future

Veröffentlicht von Rosi Würtz am

Meine Antworten sind Bestandteil der Interviewreihe „Eine Handvoll Fragen an“ für das Projekt „Klimawandel: Learning For Future„. Eine kurze Version wurde auf der Projektwebsite www.klimawandel-lff.de veröffentlicht.

Eine Handvoll Fragen an Kathrin Rosi Würtz

Vorab zu Ihrer Person: Wer sind Sie und was machen Sie beruflich?

Kathrin Rosi Würtz: Ich habe an der Universität Bonn die folgende Fächerkombination mit dem Abschluss „Magistra Artium (M.A.)“ studiert: Soziologie (Hauptfach), Neuere deutsche Literaturwissenschaft, Kommunikationsforschung und Phonetik (Nebenfächer). Nun schreibe ich meine Doktorarbeit im Fach Soziologie darüber, wie Krankenhäuser soziale Digitalmedien verwenden (Forschungsblog healthyhospital.de). Zwischen Studium und Promotion absolvierte ich meine Ausbildung zur staatlich anerkannten Physiotherapeutin mit wissenschaftlicher Weiterbildung in den Niederlanden. Durch meine Fächerwahl habe ich gelernt, Herausforderungen aus diversen Perspektiven betrachten und beurteilen zu können. Unterstützt wird die Fähigkeit des bewussten Perspektivwechsels sicherlich auch durch meine kulturell sehr divers geprägte Familie.

Beruflich bin ich mittlerweile als selbstständige Verlegerin und freie Fachautorin für Themen aus den Bereichen Gesundheit, Medien und Natur unterwegs. Am Projekt „KlimaWandel – Learning For Future“ habe ich im Wintersemester 2021/2022 und Sommersemester 2022 teilgenommen. Highlight hierbei war für mich die Abschlussveranstaltung im Festsaal der Universität Bonn. Gemeinsam mit der Arbeitsgruppe „Öffentlichkeitsarbeit“ war ich sowohl für den Twitter- und Instagram-Kanal als auch die Videoaufzeichnungen zuständig.

Klimawandel und Öffentlichkeitsarbeit

Frage 1: Was bedeutet der Klimawandel für Sie persönlich?

Kathrin Rosi Würtz: Als ich vor ziemlich genau 30 Jahren als Kind von Darmstadt nach Bonn zog (typische „Karriere“ eines Beamtenkindes), bemerkte ich bereits erste Veränderungen des Klimas wie zum Beispiel den geringeren Schneefall. Meine Grundschullehrerin Marianne Schmidt sensibiliseirte uns für Natur- und Klimawandel. Sie machte uns schon als Grundschüler*innen bewusst, welchen Einfluss wir Menschen auf den Planeten Erde haben. Direkt neben der Schule befindet sich auch heute noch der Erich-Kästner-See in Darmstadt-Kranichstein.

Ein Beispiel für den nachhaltig wirkenden Sachkundeunterricht von Frau Schmidt: Anhand der Wassermenge des Sees erklärte unsere Lehrerin uns eindrücklich, wie viel Wasser es kostet, eine Alufolienrolle herzustellen. Noch heute erinnere ich mich wirklich jedes Mal an diesen Vergleich, wenn ich Alufolie in meine Hand nehme. Frau Schmidt forderte und förderte uns Schüler*innen bereits von Anfang an: So diskutierten wir u.a. die Frage „Was ist Wind?“ und gingen raus, um die Fauna um den Erich-Kästner-See zu erkunden und zu dokumentieren. Meine erste getrocknete Pflanzensammlung habe ich heute noch und bin meiner Lehrerin sehr dankbar für ihre praktisch orientierte Wissensvermittlung in diesem multi- und interkulturell geprägten Darmstädter Brennpunkt-Viertel.

Heute sehe ich aus meinem Bürofenster in Bonn-Oberkassel mit Blick auf die Rabenlay und einem schon vor 100 Jahren stillgelegten Steinbruch. An der Kante oben fehlt seit 2018 ein Stück Wald, das vertrocknet ist. Das macht mich einerseits persönlich sehr traurig. Andererseits spornt es mich umso mehr an, meine Aktivitäten immer wieder auf die brennenden Fragen der Gegenwart zu richten, auch innerhalb meines Forschungsprojekts. Der dramatische Verlust der Artenvielfalt ist unmittelbar vor der eigenen Haustür im Siebengebirge sichtbar.

Engagement gegen den menschengemachten Klimawandel

Frage 2: Wie engagieren Sie sich für das Klima bzw. gegen den Klimawandel?

Kathrin Rosi Würtz: Mein Credo ist: Lokal global handeln! Und: Tue Gutes und berichte darüber im passenden Kommunikationsformat! Grundsätzlich bin ich gerne zuhause und genieße die Bonner Umgebung und vor allem die faszinierende Vulkanlandschaft des Siebengebirges. Da ich zur schreibenden Zunft gehöre, veröffentliche ich über drei Weblogs Texte und audiovisuelle Medienformate zu den Themen Gesundheit, Medien und Natur. Im Hintergrund meiner Texte schwingen meist die 17 UN-Nachhaltigkeitsziele mit. Da wäre zum Beispiel das SDG-Abenteuer „Vorsicht Drache! Schatzsuche im Siebengebirge“ (Kinnis Welt): Im Siebengebirge verstecken sich insgesamt 7 Dracheneier (Geocaches), die lokal auf die 17 SDGs aufmerksam machen. Mir persönlich macht es sehr viel Spaß zu sehen, wie sich die unterschiedlichsten Menschen aus allen möglichen Teilen dieser Welt auf ihrer Wanderroute durch das Siebengebirge mit den Nachhaltigkeitszielen auseinandersetzen, um das Geocaching-Abenteuer erfolgreich absolvieren zu können. Hierfür werden neben dem Orientierungssinn und Teamplay auch multimediale Anwendungskompetenzen gefördert.

In meiner Doktorarbeit beschäftige ich mich u.a. mit SDG 3 „Gesundheit und Wohlergehen“ und der audiovisuellen Thematisierung dieses Nachhaltigkeitsziels auf YouTube. Ich bin immer auf der Suche nach Themen, die von gesellschaftlicher Relevanz sind. Forschung für die Schublade oder das verstaubte Bücherregal waren noch nie mein Ding. Damit möchte ich nicht sagen, dass Forschung ohne Wow-Effekt und möglichst viel Medienaufmerksamkeit sinnlos ist. Vielmehr setze ich mich für eine nachhaltige Fehlerkultur im Wissenschaftsbetrieb ein. Fehler machen oder auch mal in die falsche Richtung rennen zu dürfen, gehört ebenso zum Erkenntnisgewinn dazu. Selbstreflexion und Lernbereitschaft sind hier die zwei Zauberwörter, um nachhaltig für die Zukunft Veränderungen vorantreiben zu können. Leider ist es einfacher über Mut zu schreiben, als im Alltag permanent Hürden locker zu überspringen. Ambiguitätstoleranz und Entscheidungsstärke können jedoch im Lauf der Zeit trainiert werden. Scheitern, aus den Fehlern lernen und dann reflektiert weiteragieren.

Für meine Forschungsarbeit setze ich die Situationsanalyse (u.a. Adele Clarke) methodisch ein, um „The Big Picture“ möglich allumfassend und reflexiv zu erfassen. Mit ein Ziel ist es, Dualismen und damit grobe Vereinfachungen auszuschließen und Relationen und Interdependenzen besser zu verstehen. Es geht also darum, uns Menschen als Teil des Erdsystems zu erkennen und nicht darum, den Dualismus „Wir Menschen und die Natur“ weiterhin am Leben zu halten. Im Zentrum steht dabei immer wieder die kritische Selbstreflexion meiner Position als Sozialforscherin und Mensch.

#LearningForFuture: Wissenschaftskommunikation und Kompetenzen

Frage 3: Was und wie würden Sie gerne lernen, um Ihre Zukunft gestalten zu können?

Kathrin Rosi Würtz: Vernetztes Denken und situative Handlungsfähigkeit empfinde ich derzeit als zwei der wesentlichen Kernkompetenzen, die für die Bewerkstelligung komplexer Probleme nötig sind. Selbstverständlich ließen sich diese weiter konkretisieren. Während meiner Zeit in der Hochschullehre habe ich den Wert von multimedialer Kommunikationskompetenz und Wissenschaftskommunikation schätzen gelernt, auch wenn ich damals rund um das Jahr 2010 oft von Kolleg*innen belächelt wurde. Verkrustetes Denken auflösen zu wollen, ist ein Hochleistungssport, der Beharrlichkeit und Ausdauern voraussetzt. Doch der Einsatz lohnt sich für alle. Das Hashtag #LearningForFuture verdeutlicht symbolisch, um was es in Zukunft gehen sollte, um Hochschullehre nachhaltig gestalten zu können. In der Vielfalt liegt die Leistungsfähigkeit verborgen. Und genau diese zu erkennen und gezielt zum Wohlergehen aller einzusetzen, verlangt die bereits oben genannten Kernkompetenzen.

Ich wünsche mir für die Zukunft, einen selbstverständlichen und gleichzeitig kritisch-reflexiven Umgang mit sozialen Digitalmedien, die für Wissenschaftskommunikation während der Arbeitszeit eingesetzt werden. Vom schönen Nice-to-Have zum nachhaltigen Must-Have! Diese Form der Kommunikation benötigt Zeit. Aus diesem Grund bin ich dafür, den Aufbau von Medienkompetenz in alle Fachdisziplinen während des kompletten Studiums und darüberhinaus fest zu integrieren. Ich sehe Wissenschaftskommunikation als demokratischen Auftrag, dem alle Forscher*innen auf ihre individuelle Weise begegnen müssen.

Mit Partizipation und Wissenschaftskommunikation gegen den menschengemachten Klimawandel

Partizipation ist neben der Wissenschaftskommunikation eines jener Buzz Words, das derzeit immer wieder durch die Fachdisziplinen geistert. Zukunftsgestaltung setzt für mich bei der Entscheidungskraft eines jeden einzelnen Menschen an. Die grundlegende Frage des Projekts „Wie willst du in Zukunft leben?“ findet in der konkreten Face-to-Face-Kommunikationssituation potenzielle Antworten, wenn denn ausreichend Raum und Zeit für die Interaktionspartner*innen zur Verfügung gestellt wird. Diese Kreativräume für mehr Transformationstoleranz bieten im geschützen Rahmen eine Spielwiese für nachhaltige Zukunftsgestaltung im Hier und Jetzt. Hochschulen sind bei der Bereitstellung und Evaluation dieser Kreativräume wichtige Teamplayer*innen.

Jetzt habe ich schon ziemlich viel geschrieben und möchte eine Handvoll Kompetenzen für mehr Handlungsfähigkeit gegen den Klimawandel im Rahmen planetarer Grenzen kurz zusammenfassen:

  • Individuelle Kommunikationskompetenzen mit Spaß am Ausprobieren fördern!
  • Viel schneller ins Handeln kommen und aus Fehlern lernen dürfen!
  • Haltung lernen dürfen: Aus physiotherapeutischer Sicht entsteht eine stabile Haltung durch ein beständiges Austarieren möglicher Positionen (Gleichgewicht).
  • Wir sind auch das Ganze! Wer bin ich, und wenn ja wieviel?: Dualismen überwinden, Notwendigkeit der Artenvielfalt und Biodiversität erkennen und leben. Es geht nur gemeinsam!
  • Immer in Bewegung bleiben: Sinnerfahrungen auf vielfältige Weise machen!

Frage 4: Wo befindet sich Ihr Lieblings-Lernort und warum können Sie dort so gut lernen?

Kathrin Rosi Würtz: Schreibtische üben auf mich eine große Faszination aus, auch wenn ich als bewegter Mensch nicht lange daran sitzen kann. Aus diesem Grund lerne ich vor allem an Orten gerne, an denen ich mich auch zwischendurch frei bewegen kann. Außerdem entdecke ich meine Umgebung gerne mit einer Kamera in meinen Händen: Am liebsten wandere ich dabei durch das Siebengebirge (Weblog abenteuer-siebengebirge.de) und beobachte das Leben in seiner Vielfalt. Wenn es geht, dann starte ich meine kleinen Expeditionen durch den Naturpark so früh wie möglich: Nichts ist lernförderlicher für mich als Bewegung an der frischen Luft und ein Erlebnis mit allen Sinnen.

Mein Alltag im Jahr 2030

Frage 5: Bitte erzählen Sie uns von Ihrem persönlichen Zukunftsbild: Wie sieht Ihr Alltag 2030 aus?

Kathrin Rosi Würtz: Im Jahr 2030 schaue ich aus meinem Bürofenster auf die Rabenlay von Bonn-Oberkassel. Bis dahin hat sich dann hoffentlich die Waldlücke wieder merklich geschlossen. Das Siebengebirge wird sich weiter erholt haben und neue Bäume werden wachsen, um das Flora-Fauna-Habitat zu stabilisieren.

Das Hauptgebäude der Universität Bonn wird mit nachhaltigen Energieträgern bestückt sein und noch mehr grüne Flächen darbieten. Der Hofgarten ist nach wie vor ein Ort des sozialen Lebens, in dem Biodiversität zum Anfassen und Erleben selbstverständlich dazugehört. Unsere Prorektorin für Nachhaltigkeit Professorin Annette Scheersoi konnte die drei Handlungsfelder „Partizipation“, „Kommunikation + Vernetzung“ und „Studentisches Engagement“ flächendeckend in den universitären Alltag implementieren. Und weil wirklich das „Wir“ gewonnen hat, ist die Idee des „Service Learning“ mittlerweile ein fester Bestandteil aller Disziplinen und der Bundesstadt Bonn. Gemeinsam gehen Universität und Zivilgesellschaft Wege, für die wir heute im Jahr 2022 erste Landkarten entwerfen.

Zum Schluss möchte ich auch eine Zukunftsvision für mein persönliches Lernen entwerfen: Ich hoffe, dass es im Jahr 2030 eine Selbstverständlichkeit ist, ohne erhobenen Zeigefinger voneinander zu lernen. Ein respektvolles Miteinander in sämtlichen Lebenssituationen setzt Energien für noch unentdeckte Ideen frei, die wir dringend benötigen. Die Inner Development Goals verweisen auf fruchtbare Handlungskompetenzen, die neben den Sustainable Development Goals wichtige Orientierungshilfen bieten. Das große Ganze im Kleinen erkennen und für wertvoll schätzen lernen, ganz im Sinn einer Bildung für nachhaltige Entwicklung für alle.

Die Interviewfragen wurden im September 2022 beantwortet.


Rosi Würtz

Soziologin mit den Schwerpunkten Digitalisierung und Gesundheit, derzeit Promotion (Uni Bonn) über betriebliche Gesundheitskommunikation von Krankenhäusern in sozialen Medien, staatlich anerkannte Physiotherapeutin mit einem Faible für Paläontologie und Raumfahrt

2 Kommentare

Interviews - Kathrin Rosi Würtz, M.A. · Mai 4, 2023 um 1:23 pm

[…] Würtz, Kathrin Rosi (Projektteilnehmerin „KlimaWandel – Learning for Future“, lange Version) […]

Interviews - Kathrin Rosi Würtz · Februar 20, 2024 um 6:27 pm

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