Mein Birthday Election Day 2020
Momentan sitze ich auf dem Sofa meiner Eltern und sehe mir im Fernsehen das aktuelle Geschehen in der Welt an. Heute ist in den USA Election Day. Die Wahl des US-Präsidenten und mein Geburtstag fallen dieses Jahr auf denselben Tag. Meine Schwester wird dieses Jahr nicht hier mit mir feiern, weil wir kein Risiko eingehen wollen. Dadraußen herrscht das Coronavirus und der Lockdown light in Deutschland ist gestern in Kraft getreten. Der Tag lädt zur Selbstreflexion an.
Meine Familie und ich: immer schon bunt gemischt!
Wenn ich heute in den USA wählen dürfte, dann würde ich Biden und Harris wählen. Sie verkörpern meiner Meinung Pluralismus und Diversität. Kamala Harris ist mir aufgrund ihrer eigenen Familiengeschichte sympathisch. So sind meine Eltern auch Einwanderer und haben hier im Lauf ihres bisherigen Lebens in Deutschland alles gegeben, um für ihre Familie und die Menschen dieser Weltgesellschaft nach bestem Gewissen das Mögliche zu tun. Gemeinschaftlich haben sie ihre kulturelle Vielfalt genutzt und uns Kindern vermittelt, dass Diversität bereichert.
Gestern habe ich das erste E-Mail-Interview für eine wissenschaftliche Studie über meine Vorfahren aus Kljajicevo (ein kleiner Ort im heutigen Serbien) geschrieben. Allein dies erinnerte mich mal wieder, aus welchen Weltteilen meine Vorfahren kommen.
Mein Urgroßvater ist Anfang des 20. Jahrhunderts aus diesem Dorf in die USA gereist, um dort in einer Bleigießerei Geld für seine Familie zu verdienen. Er kehrte nie zurück und starb dort in Reading. Die TV-Dokumentationen über die Zeit vor den US-Wahlen rufen Bilder in meinem Kopf hervor: Vielleicht ist mein Urgrovater mit einem Ozeandampfer an der Freiheitsstatue vorbeigefahren. Welche Gedanken hatte er wohl zu diesem Zeitpunkt? Wie hat er sich als Einwanderer gefühlt?
Auch mütterlicherseits ist meine Verwandschaft bunt gemischt. Mittlerweile wohnen einige meiner indischen Verwandten in den USA. WhatsApp-Nachrichten erreichen mich und berichten über die aktuelle Situation dort. In New York werden Schaufenster mit Brettern verschanzt, um vor Übergriffen zu schützen. Auf mich wirkt dies alles so surreal, aber es ist tatsächlich ein Alptraum, den ich live miterlebe.
Covid-19 da draußen: Lockdown light
Seit März 2020 ist unsere Familie sehr vorsichtig: Besonders unsere Familienmitglieder mit einem erhöhten gesundheitlichen Risiko werden von uns jüngeren bestmöglich unterstützt. Einkaufen, Fahrten zu Arztbesuchen, körperliches und geistiges Training und vieles mehr gehören selbstverständlich dazu. Es klingt in meinen Ohren total verrückt, dass der aktuelle US-Präsident tatsächlich Corona und Covid-19 herunterspielt. Unvorstellbar, aber leider wahr!
Vor drei Jahren hat mich meine Sandkastenfreundin Sabine aus Darmstadt überrascht und mich spontan hier in Bonn an meinem Geburtstag besucht. Ich werde den Moment niemals vergessen, als sie plötzlich vor mir stand. Während der Coronakrise sind solche Besuche selbstverständlich unvorstellbar, da wir uns nicht gegenseitig in Gefahr bringen wollen. Umso schöner ist es, dass wir über virtuelle Weg in Kontakt bleiben und mich ihre tollen Online-Geburtstagsgrüße auch so erreichen.
Digitale Möglichkeiten ermöglichen uns in diesen schwierigen Zeiten, Kontakt zu halten und uns nicht aus den Augen zu verlieren. Ich bin sehr froh, dass für mich die Onlinewelt schon seit über 20 Jahren selbstverständlich zu meinem Alltag gehört. Sicherlich fällt mir aus diesem Grund der Umgang und die Kommunikation über diese Kanäle leicht. Manche Personen in meinem näheren Umfeld tun sich damit schwer, aber meiner Meinung nach führt kein Weg daran vorbei, sich mit sozialen Medien auseinanderzusetzen. Es steckt ja nicht umsonst das Wort „sozial“ in der Bezeichnung dieser Kommunikationskanäle.
Gemeinschaft zelebrieren
Fast den ganzen Tag habe ich auf dem Sofa verbracht, zwischendurch gab es selbstverständlich einige Bewegungseinheiten. Draußen mit Mund-Nasen-Schutz, innerhalb der eigenen vier Wände mit Sicherheitsabstand. Lieber Vorsicht als Nachsicht! Zum Glück verstehen wir uns alle so gut, dass wir uns nicht entfernt fühlen. Es geht schließlich um unser Leben und das ist meiner Familie und mir das Wichtigste!
Dann kommen wieder ein paar Geburtstagsgrüße aus Indien mit herzerwärmenden Audios: Einer meiner Onkel singt mir ein Geburtstagsständchen. Mir laufen Tränen die Wangen herunter, denn wir haben uns seit 1999 nicht mehr live und in echt gesehen. Dennoch ist die indische Familie nah, zumindest gefühlt. Wir machen Scherze über die virtuelle Torte, die ich stückweise „rüber“ schicke. Und wir sind uns einig: Das ist die ultimative „German-Indian-European-mixed-by-Shanthi-Aunty“- Torte und wenn wir uns wiedersehen, dann steht diese Torte auf dem Begrüßungstisch!